Tour #8

Brilliantly Swiss

1.–2. Januar & 29.–30. Juni 2024

Swiss Orchestra
Lena-Lisa Wüstendörfer, Leitung
Sebastian Bohren, Violine

1.1.2024
Montag, 17:00 Uhr
Langenthal
Stadttheater
2.1.2024
Dienstag, 17:00 Uhr
29.6.2024
Samstag, 19:30 Uhr
Andermatt
Konzerthalle
30.6.2024
Sonntag, 17:00 Uhr

Konzertprogramm

Paul Juon (1872 – 1940 Vevey)
5 Stücke für Streichorchester op. 16
4 Stücke für Violine und Orchester op. 28 Nr. 3 Berceuse

Giuseppe Tartini (1692–1770)
Sonate in g-Moll «Teufelstriller» (Arrangement von Fritz Kreisler)

Fritz Kreisler (1875–1962)
Präludium und Allegro
Variationen über ein Thema von Corelli
Liebesfreud
Schön Rosmarin

Edvard Grieg (1843–1907)
Holberg Suite op. 40

George Templeton Strong (1856 – 1948 Genf)
Chorale on a Theme of Leo Hassler

Johann Strauss (Sohn, 1825–1899) und
Josef Strauss (1827–1870)
Pizzicato-Polka*

Johann Strauss (Vater, 1804–1849)
Radetzky-Marsch*

*bei den Konzerten in Langenthal und Zürich

Am 8. Februar 1935 sah sich der in Wien geborene, österreichisch-amerikanische Komponist und Violinist Fritz Kreisler zu einer skandalumwitterten Stellungnahme in der New York Times genötigt: «Die Umstände zwangen mich vor rund 30 Jahren zu dieser Vorgehensweise, als ich meine Konzertprogramme erweitern wollte. Es schien mir ungebührlich und taktlos, meinen Namen auf den Programmen unaufhörlich zu wiederholen.» Und weiter: «Es ist alles von mir. Auch die anderen kleinen Meisterwerke von Couperin und Martini, Dittersdorf und Vivaldi und, und, und – alles habe ich komponiert.» Doch was war passiert? Das Wunderkind Kreisler, das zum Stargeiger des beginnenden und mittleren 20. Jahrhunderts avancierte, hatte nach eigenen Angaben Notenmanuskripte alter, damals unbekannter Komponisten wie Gaetano Pugnani, François Couperin oder Antonio Vivaldi in einem südfranzösischen Kloster entdeckt. Er habe nur geringfügige Änderungen an der Melodie vorgenommen, sei aber bestrebt gewesen, den Geist der Originalkompositionen zu erhalten. Kreisler «arrangierte» seine musikalischen Fundstücke für Geige, liess die Noten drucken und spielte die Werke in seinen Konzerten. Erst der Musikkritiker Olin Downes deckte auf, dass viele der angeblich barocken Werke in Wahrheit aus der Feder von Kreisler selbst stammten: Sie waren Fälschungen – der Klassikskandal, der das Titelblatt der New York Times zierte und einmal um die ganze Welt ging, war perfekt.

Was viele als amüsanten Scherz empfanden und die Verehrung des umtriebigen Virtuosen womöglich gar noch steigerte, stiess einigen Kritikern, insbesondere Ernest Newman, sauer auf: «Wie einfach es ist und immer war, diese Art von Musik zu schreiben. […] Jeder, der auch nur das geringste bisschen Musik in sich trägt und die geringste Kenntnis der Epoche hat, könnte so etwas jeden Morgen mit der Hand produzieren, die er nicht zum Rasieren benötigt. Das musikalische Muster ist in der Musik der Bach-Händel-Epoche tausendfach anzutreffen – eine pompöse Eröffnungsgeste, gefolgt von ein paar Takten geschäftiger Sechzehntelnoten über einigen Folgeharmonien, wieder dieselbe Geste, und so weiter und so fort.» Der Beliebtheit von Kreislers Kompositionen tut dies, wie im Konzert mit dem Swiss Orchestra und dem Shootingstar Sebastian Bohren an der Violine zu hören ist, keinen Abbruch: Bohren präsentiert unter anderem Kreislers, zunächst Pugnani zugeschriebenes, «Präludium und Allegro» und Stücke im Wiener Stil wie das beliebte «Liebesfreud» neben Giuseppe Tartinis virtuoser «Teufelstriller-Sonate» und Paul Juons «Berceuse».

Mit seinen Fälschungen schuf sich Fritz Kreisler auf schlitzohrige Weise sein eigenes Repertoire. Auch das Swiss Orchestra – dessen Markenzeichen es ist, zu Unrecht in Vergessenheit geratene Werke der Schweizer Klassik und Romantik wiederzuentdecken – ist immer auf der Suche nach neuen alten Werken. Da das Komponieren nicht zu unseren Kompetenzen gehört und noch unzählige Schätze auf unsere Hörbarmachung warten, sind unsere Schweizer Kompositionen garantiert echt. Diesmal stehen mit den «5 Stücken» des in Graubünden verwurzelten Komponisten Paul Juon sowie einem Choral des in Genf gross gewordenen George Templeton Strong zwei wenig bekannte spätromantische Kompositionen auf dem Programm. Juon, dessen Grossvater aus Graubünden stammt, wurde 1872 in Moskau geboren. Nach Tätigkeiten am Konservatorium in Baku und als Kompositionsprofessor an der Hochschule für Musik in Berlin siedelte er 1934 in die Schweiz über, wo er 1940 in Vevey starb. Juons Werk, das zwischen früher Moderne, Spätromantik sowie Salonmusik changiert und sich damit auf reizvolle Weise einer einfachen Etikettierung entzieht, wird immer wieder mit Johannes Brahms und Igor Strawinsky in Verbindung gebracht. George Templeton Strong wiederum ist ein Genfer Komponist mit amerikanischen Wurzeln, der 1856 in New York geboren wurde. Er liess sich nach mehreren Aufenthalten 1897 endgültig in der Schweiz nieder, wo er 1948 in Genf starb. 1918 wurde Strong in das Komitee des Genfer Conservatoire de musique gewählt und unterstützte ehrenamtlich die Förderung junger Talente. Strong war eine herausragende Persönlichkeit im Westschweizer Musikleben seiner Zeit und wurde als solche geehrt, etwa durch die zwischen seinem 75. und seinem 90. Geburtstag alle fünf Jahre stattfindenden Konzerte und Empfänge des Genfer Conservatoire. Abgerundet wird das vielfältige Konzertprogramm mit Edvard Griegs beliebter «Holberg-Suite».

Der Geiger Sebastian Bohren besticht sowohl als Solist als auch als Kammermusiker durch die Ausgewogenheit seines Spiels und seiner Repertoireauswahl, dessen Schwerpunkte in der Klassik, der Frühromantik, dem 20. Jahrhundert und der zeitgenössischen Musik liegen. 2022 erhielt Bohren die Auszeichnung «Der Goldene Bogen», verliehen durch die «Stiftung Schweizer Geigenbauschule».

Die Süddeutsche Zeitung beschrieb Bohren als «einen der ernsthaftesten und geradlinigsten Musiker seiner Generation», und das BBC Music Magazine vergab 5 Sterne für seine bei Avie erschienene Aufnahme mit Mozart-Konzerten: sie hob besonders sein «fantastisches Spiel» hervor, das «lebhaft und aufmerksam jeder musikalischen Wendung folgte».

In den kommenden Spielzeiten wird Sebastian Bohren Violinkonzerte von Mozart, Beethoven, Mendelssohn, Bartók, Berg, Schoeck, Szymanowski, Korngold, Kurt Weill, Frank Martin, Magnus Lindberg, Peteris Vasks, Loris Tjeknavorian und Peter Eötvös zur Aufführung bringen. Mit Daniel Hope und dem Zürcher Kammerorchester spielte er auf Tournee Doppelkonzerte von Alfred Schnittke und Arvo Pärt, sowie «The Temple of Silence», ein eigens komponiertes Doppelkonzert des Schweizer Komponisten Martin Wettstein.

In seiner Schweizer Heimat arbeitet er mit Ensembles wie dem Sinfonieorchester Basel, Luzerner Sinfonieorchester, Orchestra della Svizzera Italiana, Musikkollegium Winterthur, argovia philharmonic, Zürcher Kammerorchester, Kammerorchester Basel, Festival Strings Lucerne, Camerata Zürich, Kammerphilharmonie Graubünden, Zuger Sinfonietta und CHAARTS Chamber Artists zusammen. Auf internationalen Bühnen stand er mit St. Petersburg State Academic Cappella, Royal Liverpool Philharmonic Orchestra, Anima Musicae Chamber Orchestra, Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, Münchner Kammerorchester, Kölner Kammerorchester, Göttinger Sinfonieorchester, Württembergische Philharmonie Reutlingen, KKO Mannheim, WKO Heilbronn, Stuttgarter Kammerorchester, Thessaloniki State Symphony Orchestra und Orchestra di Padova e del Veneto. Zu den Dirigenten, mit denen er zusammenarbeitet, gehören Cristian Macelaru, Marc Minowski, Michael Sanderling, Elim Chan, Emmanuel Tjeknavorian, Ivor Bolton, Thierry Fischer, James Gaffigan, Heinz Holliger, Patrick Lange, Andrew Litton, Andrew Manze, Christoph Poppen, Gábor Takács-Nagy und Mario Venzago. 2018 debütierte Bohren beim Lucerne Festival.

Seinem Heimatkanton Aargau ist der mittlerweile in Zürich lebende Sebastian Bohren auch durch die von ihm erfolgreich geleitete Konzertreihe Stretta Concerts und das Brugg Festival weiter verbunden.